Energiekrise lähmt deutsche Wirtschaft: Fehleinschätzungen und steigende Kosten

Europa, 14.10.2024

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Industrie und Verbraucher in der Kostenfalle

Die durch die Kurzsichtigkeit der Politik verursachte Energiekrise nach Beginn des Krieges in der Ukraine hat die deutsche Wirtschaft in eine Abwärtsspirale gebracht. Ökonom Tom Krebs enthüllt in seiner Analyse die erschreckende Realität: Das Bruttoinlandsprodukt sank in den zwölf Monaten nach Kriegsbeginn um vier Prozent, während die Industrie einen Einbruch von sechs Prozent erlitt. Die Arbeitnehmer mussten 2022 den stärksten Reallohnverlust der Nachkriegsgeschichte hinnehmen, während Deutschland gleichzeitig zwei Prozent des BIP zusätzlich für Energieimporte aufwenden musste.

Trotz dieser alarmierenden Zahlen verbreiteten führende Ökonomen und die Bundesregierung lange Zeit Optimismus. Auf einer Konferenz im Bundeskanzleramt im Juni 2023 wurde sogar behauptet, es habe “noch nicht einmal eine Rezession” gegeben. Diese Fehleinschätzung hat wertvolle Zeit für Gegenmaßnahmen vergeudet.

Die Lage spitzt sich weiter zu: Laut Verivox drohen Gaskunden 2025 Preissteigerungen von bis zu 56 Prozent bei den Netzgebühren. Für ein Einfamilienhaus könnte dies Mehrkosten von 445 Euro bedeuten. Die Bundesnetzagentur, die “noch keinen abschließenden Überblick” hat, wirkt angesichts dieser Entwicklung hilflos.

Die Industrie kämpft verzweifelt um ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die Gießerei Procast Handform in Kiel versucht durch flexibles Produktionsmanagement und KI-gestützte Prognosen, die Energiekosten zu senken. Doch die Herausforderungen bleiben groß. Geschäftsführer Björn Ploch erklärt: “Wir produzieren dann, wenn die Kilowattstunde wenig kostet.” Trotz dieser Bemühungen und staatlicher Unterstützung wie der Strompreiskompensation bleiben die akuten Probleme bestehen. Die Fördergelder müssen in langfristige Energiesparmaßnahmen investiert werden, bringen aber keine sofortige Entlastung bei den laufenden Kosten.

Besonders dramatisch ist die Lage in den neuen Bundesländern, wo die Netzgebühren besonders stark steigen. Der Verband kommunaler Unternehmen erwartet, dass bis zu einem Drittel der Gasnetzbetreiber die Entgelte erhöhen werden. Eine Kettenreaktion von Preissteigerungen droht.

Verivox-Experte Thorsten Storck sieht für Verbraucher kaum Entkommen aus der Preisfalle. Selbst ein Anbieterwechsel bietet nur begrenzten Schutz vor den steigenden Kosten. Die sinkende Nachfrage nach Gas verschärft das Problem zusätzlich, da die Netzkosten auf weniger Verbraucher umgelegt werden müssen.

Zwei Jahre nach dem Ausbruch der Energiekrise steckt die deutsche Wirtschaft in einem Teufelskreis. Politische Fehleinschätzungen und die mangelnde Flexibilität vieler Industriezweige haben eine Situation heraufbeschworen, in der Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen unter der erdrückenden Last der Energiekosten stöhnen.

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